„Mein Schlosspark Theater“

Inhaltsverzeichnis

Die Geschichte eines Theaters in fünf Akten
Von Henckels bis Hallervorden

Die beginnende Industrialisierung brachte mit der ersten preußischen Eisenbahn 1840 das Theater in den noch weit vor den Toren Berlins liegenden Vorort Steglitz. Aus der einstigen Sommerbühne entwickelte die prosperierende Gemeinde ihre Theaterkultur und gab 1921 dem Haus die Bestimmung zur Bühne. Es war die Zeit einer pulsierenden Berliner Weltmetropole, die das Sprechtheater als Teil eines ganzen Kulturensembles für über zehn Jahre im Stil der Max Reinhardt-Bühnen einfärbte und im avantgardistischen Sinn von Erwin Piscator inszenierte. Für zehn Jahre verstummte die Bühne und erblühte 1945 in einer einzigartigen Berliner Theaterinitiative aus den Trümmern der Stadt. Auf den Brettern, die die Welt bedeuten, spielten neben Hildegard Knef, Martin Held und Bernhard Minetti zahlreiche weitere bedeutende Schauspieler unter der Leitung von Boleslaw Barlog. Ihm folgte Hans Lietzau, der das Staatstheater ganz im Sinne seiner Lehrer Jürgen Fehling und Gustaf Gründgens führte und von dem Theaterkritiker Friedrich Luft als großen Denker des Theaters gewürdigt wurde. Das Haus blieb in der Bedeutungslinie der Stadt integriert und so führten es Boy Gobert und Heribert Sasse als Generalintendanten. Doch so klein das Haus auch ist, so groß sind seine Erfolge, und so gelang es Andreas Gergen, auf diesen schmalen Brettern sogar ein Stück Broadway zu inszenieren. Seit zehn Jahren ist Dieter Hallervorden der Intendant und bringt Stars aus Film und Fernsehen auf die Bühne, ein Erfolg, der die Strahlkraft des Hauses im Berliner Südwesten zu tragen vermag. Die Bühne wird nie untergehen, sagte Max Reinhardt, wofür das Theater in seiner rückschlagsreichen Geschichte schon mehrfach den Beweis antrat. Die Ausstellung erzählt in fünf Akten diese einzigartige Theatergeschichte und immer wieder auch die einer pulsierenden Theaterstadt, wie es keine zweite in Deutschland gibt.

„Keine Kunstform ist so dem Schicksal rascher Vergänglichkeit ausgeliefert wie das Theater. Und keine Zeit ist schnellebiger und dem schnellen Vergessen zugeneigter als die unsere. Was Wunder; wenn wir den Wunsch haben, die flüchtigen Erscheinungen unserer Arbeit wenigstens im Abbild […] zu bewahren.“ (Boleslaw Barlog)

1. Akt 1830 Als alles began

Die Geschichte diese Aktes beschäftigt sich mit dem Werden von Steglitz, einem Dorf südwestlich der expandierenden Stadt Berlin, das sich innerhalb von fünfzig Jahren zu einer bürgerlichen Gemeinde mit über 30.000 Einwohnern Wandelt.

Steglitz wird zusammen mit seinen Nachbarorten Lichterfelde und Lankwitz zu einem Ort des Militärs, der chemischen und feinmechanischen Industrie, der Filmindustrie und des bürgerlichen Vorstadtlebens.

Die Steglitzer entwickeln in diesen fünfzig Jahren einen hohen Kulturanspruch, der sich eng mit dem Interesse an einem eigenen Theater verbindet.

Begünstigend für diese Entwicklung ist die erste preußische Eisenbahnlinien, die in Steglitz eine provisorische Haltestation hatte. Das Bahnunternehmen installierte in Steglitz ein Sommertheater, für das man Karten nur mittels eines Bahntickets erwerben konnte.

Das ist der Begin einer Theaterkultur, die in der Folge zu einer Hochkultur aufsteigen und zahlreiche Verbindungslinien zur Gesamtberliner Theaterkultur ziehen wird.

2. Akt 1921-1934 Die Zeit Paul Henckels bis Hans Junkermann

Dieser Akt beschäftigt sich mit dem Beginn des Hauses als Theater. Er zeigt die Persönlichkeiten, die die Idee zu einem Kulturensemble haben, dessen sich auch das nicht florierende Theater des Westens in Charlottenburg bedienen wird.

Es wird die ereignisreiche Geschichte der Weimarer Republik gezeigt, in der zahlreiche Kunstströmungen die Kultur des Theaters revolutionieren. Die Schlosspark GmbH wird durch die Bühnenkonzepte von Erwin Piscator beeinflusst und will die Ideen von Max Reinhardt für den Berliner Südwesten gewinnen.

Die führenden Regisseure und Künstler der 1920er Jahre färben auf die Theaterkultur an und prägen die grundlegende Veränderung der Bühne, insbesondere die der Berliner Theaterkultur und machen Berlin damit zu einer bislang einmaligen und unvergessenen Kulturmetropole.

Die Bühne als Kulturerlebnis für alle Bürger und Schichten kennzeichnet die Theaterentwicklung der nachfolgenden Zeit und prägt so auch die Bühne des Schlosspark Theaters.

Die sozialkritische Sicht Bertolt Brechts lebt später auch auf der Steglitzer Bühne. Das „Totaltheater“ von Erwin Piscator in der Zusammenarbeit mit Walter Gropius bleibt Mittel und Zweck der zukünftigen Regiearbeit und selbst die kleine Schlosspark Bühne nimmt Anteil an dieser Entwicklung. Auf der Bühne selbst werden sich die klassischen Theaterstrukturen Jürgen Fehlings unter der Leitung späterer Intendanten deutlich formieren.

Zusammenhänge der Zeit und Hintergründe der Entwicklung finden in diesem Akt eine Darstellung. Die Idee des großen und der kleinen Hauses wird in der Tatsache eines zunächst provisorischen Kinos und eines Theaters umgewandelt und hält bis heute an.

3. Akt 1945 – 1972 Die Zeit mit Boleslaw Barlog

Dieser Akt widmet sich dem Wiederaufbau einer Theaterkultur und dem Suchen nach einem neuen Theatersinn.

In Berlin erwacht inmitten der Trümmer eine einzigartige Initiative des Theaters, und als ob es keine anderen Fragen in der zerstörten Stadt zu lösen gäbe, schießen die Bühnen wie Pilze aus dem Boden. Allein von Mai bis Dezember 1945 finden in der Stadt 120 Theaterpremieren statt.

Hildegard Knef gehört zu den jüngsten Schauspielern der Stadt, sie findet als Obdachlose zu Boleslaw Barlog, erfährt Hilfe und bekommt Angebote, die ihr Leben auf Bühne und Leinwand bestimmen werden.

In der nun beginnenden Epoche beleben Schauspieler wie Bernhard Minetti, Martin Held, Klaus Kammer und viele mehr das Theater in einer Stadt, die zur Insel und zum Spielball des kalten Krieges geworden ist. Diese beiden Aspekte wirken entscheidend auf die Berliner Theaterkultur ein.

Dieser Abschnitt der Ausstellung beschäftigt sich mit Zeitdokumenten, mit Interviews und vor allem mit dem Widerstreit zwischen Theaterkritik und Theaterrealität, zwischen intellektueller Theateridee und gelebter Bühnenpraxis und dem Theater, das der Bürger liebt.

Historische Filmdokumente zeigen den höchst lebendigen Wortaustausch zwischen dem Theaterkritiker Friedrich Luft und dem Intendanten Boleslaw Barlog. Das Schlosspark Theater wird zur namhaften Spielstätte der Stadt.

Barlog geht indes seinen eigenen Vorstellungen vom Theater nach, immer mit einem sicheren Gespür für das, was sein Publikum sucht. Die Komödie steht dabei im Zentrum des Interesses. Er findet aufsteigende Talente und reibt sich an Regisseuren wie Hans Lietzau, in dem er zugleich seinen
Nachfolger entdeckt.

4. Akt 1972 -2006 Die Zeit mit Hans Lietzau, Boy Gobert, Heribert Sasse
und Andreas Gergen

Im 4. Akt geht es um eine Zeit, in der sich die Berliner Theaterkultur zwar formiert hat, sich aber dennoch zu neuen und noch nicht klar definierten Zielen aufmacht.

Die Theaterpraxis in Berlin befindet sich auf dem Weg der Suche nach sich selbst und gleichzeitig in einem anhaltendem Spannungsfeld ideologischer Ansichten und kulturpraktischer Bedürfnisse. Diese Sichtweisen spiegeln sich in Filmdokumentationen und Publikationen der Zeit. Hans Lietzau gehört unzweifelhaft zu den „Großen“ des Theaters, und die Schulen von Max Reinhardt, Leopold Jessner, Jürgen Fehling, Gustaf Gründgens und vieler anderer mehr wirken durch ihn auf der Bühne.

Als Generalintendant der Staatlichen Schauspielbühnen Berlins verknüpft geschickt die Bühnen des Schiller Theaters, der Werkstattbühne und des Schlosspark Theaters.

Der Theaterkritiker Friedrich Luft beschenkt ihn mit einem reichen Angebot an kritischen Meinungen und am Ende mit einer überaus wertschätzenden Würdigung seiner hohen Leistung.

Die Steglitzer Bühne erlebt bis in die Mitte der 1980er Jahre einen stabilen Spielplan, den nicht nur der Berliner Theaterclub als wichtige Kulturinstanz der Stadt zu schätzen weiß. Doch was Theater wirklich leisten soll und was sich Besucher wünschen, bleibt Gegenstand eines Spagats, was der neue Generalintendant der staatlichen Schauspielbühnen Berlins, Boy Gobert, in einem Interview formuliert.

Die Intendanz Boy Goberts und die nachfolgende von Heribert Sasse zeigen lebendige und spannende Zeitdokumente und
Filmmitschnitte des rbb. als Sponsor die Ausstellung.

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands ändert sich die Berliner Kulturlandschaft und die Bedeutung der Bühnen sieht sich einem neuen Spagat ausgesetzt: der schwierigen Dichotomie von zentral und dezentral gelegenen Bühnen.

Nach dem Ende der Intendanz Sasse verwandelt sich das Haus in ein Musicaltheater. Der Broadway kommt nach Steglitz, und Andreas Gergen prägt das künstlerische Profil des Hauses im Stil einer Theaterkultur, die der einstigen Inselstadt Berlin wieder ein Fenster zur Welt öffnet. Berlin kann wieder eine Metropole werden, das war auch die Botschaft der kleinen Bühne im Berliner
Südwesten.

5. Akt ab 2008 mit Dieter Hallervorden

Im fünften Akt dieser Ausstellung etabliert sich das Haus erstmals auf eigenen Beinen. Ein neues Konzept des Intendanten sichert dem Haus eine Existenz, die die Gründer des Hauses suchten.

„Ich glaube an die Unsterblichkeit des Theaters“, sagte Max Reinhardt, womit er bis heute Recht behalten sollte.

Das Theater bleibt, aber es verändert sich innerlich. Dieser Prozess begann in den 1920er Jahren mit der Technisierung der Bühne und einer neuen Frei- heit der Kunst. Der Film übernimmt eine führende Kraft auf die Wirkungsfelder des Schauspielers und Dieter Hallervorden bringt mit einer beeindruckenden Kommunikation die Stars aus Film und Fernsehen auf die Bühne. Damit schafft er einen Erfolg, der die Strahlkraft des Hauses im Berliner Südwesten zu tragen vermag.

Die Hochkultur des Sprechtheaters lebt so zwischen Stücken mit klassischem Anspruch bis hin zum Unterhaltungstheater. Das Publikum weiß es ihm zu danken und liebt ‚sein‘ Schlosspark Theater.

Seinen Ausspruch über die Unsterblichkeit des Theaters setzte Max Rein- hardt mit den Worten fort, das Theater sei „der seligste Schlupfwinkel für die- jenigen, die ihre Kindheit heimlich in die Tasche gesteckt und sich damit auf und davon gemacht haben, um bis an ihr Lebensende weiter zu spielen.“ Es ist dies nicht nur der Traum eines großartigen Künstlers, sondern es wäre ein
höchst wertvoller Traum für alle Menschen.

Der Intendant Hallervorden erkennt die Tragkraft von Reinhardts Idee, und die Bedeutung der Bühne insbesondere für junge Menschen, denen er hilfreich und fördernd das Haus öffnet. Das YAS Theater nimmt die Hochkultur des Sprechtheaters ernst und transformiert Sprache in den Alltag junger Menschen.

Sprache und Literatur sind weitere Angebote und damit eine Besonderheit der Theaterkultur im Südwesten Berlins.

Der Berliner Theaterclub bringt die Kultur den Menschen direkt ins Haus und verbindet Publikum und Schauspieler.

Genau dieses Anliegen war der tiefere Sinn der Gründer des Schlosspark Theaters – es war ihr höchstes Ziel, mit dem die wendungsreiche Geschichte dieses Hauses begann. Der Wirkungskreis des Theaterclubs lebt in der Ausstellung im Film, Wort und Bild.

Der Steglitzer liebt sein Theater und der „Freundeskreis des Schlosspark Theaters“ entwirft eine Brücke zum Schauspieler und verbindet das Publikum mit dieser Bühne.

Was hinter der Bühne geschieht…

Bevor ein Theaterstück die Bühne belebt, vergehen Tage und Wochen konzentrierter Arbeit hinter der Bühne. Zahlreiche Akteure sind mit dem Bau eines Stückes beschäftigt.

Die Idee eines Regisseurs gibt mehreren Berufsgruppen Arbeit auf. Der Bühnenbildner wird zum Architekt der Bühne und baut Requisiten, gruppiert Szenerien, in denen die Stücke spielen. Er figuriert die Kostüme der Schauspieler im originalen zeithistorischem Kulturverständnis.

Werkstätten nähen Kostüme und entwerfen Stoffe mit originalgetreuen Mustern. Möbel werden gezimmert, die dem Bühnenbild in vielen Sicherheitsaspekten entsprechen müssen. Der Maskenbildner verwandelt den Schauspieler in eine völlig andere Person. Der Regisseur inszeniert Planspiele, wann sich wer wohin bewegt, was wohin wandert, und beherrscht mittels Bühnentechnik den Wandlungslauf der Zeitebenen.

Das alles sieht der Besucher bei der Aufführung des Stückes in einem fertigen Kunstwerk, in der Ausstellung sieht er den Weg dahin.