Autor: Ludwig Schuster

  • „Mein Schlosspark Theater“

    „Mein Schlosspark Theater“

    Inhaltsverzeichnis

    Die Geschichte eines Theaters in fünf Akten
    Von Henckels bis Hallervorden

    Die beginnende Industrialisierung brachte mit der ersten preußischen Eisenbahn 1840 das Theater in den noch weit vor den Toren Berlins liegenden Vorort Steglitz. Aus der einstigen Sommerbühne entwickelte die prosperierende Gemeinde ihre Theaterkultur und gab 1921 dem Haus die Bestimmung zur Bühne. Es war die Zeit einer pulsierenden Berliner Weltmetropole, die das Sprechtheater als Teil eines ganzen Kulturensembles für über zehn Jahre im Stil der Max Reinhardt-Bühnen einfärbte und im avantgardistischen Sinn von Erwin Piscator inszenierte. Für zehn Jahre verstummte die Bühne und erblühte 1945 in einer einzigartigen Berliner Theaterinitiative aus den Trümmern der Stadt. Auf den Brettern, die die Welt bedeuten, spielten neben Hildegard Knef, Martin Held und Bernhard Minetti zahlreiche weitere bedeutende Schauspieler unter der Leitung von Boleslaw Barlog. Ihm folgte Hans Lietzau, der das Staatstheater ganz im Sinne seiner Lehrer Jürgen Fehling und Gustaf Gründgens führte und von dem Theaterkritiker Friedrich Luft als großen Denker des Theaters gewürdigt wurde. Das Haus blieb in der Bedeutungslinie der Stadt integriert und so führten es Boy Gobert und Heribert Sasse als Generalintendanten. Doch so klein das Haus auch ist, so groß sind seine Erfolge, und so gelang es Andreas Gergen, auf diesen schmalen Brettern sogar ein Stück Broadway zu inszenieren. Seit zehn Jahren ist Dieter Hallervorden der Intendant und bringt Stars aus Film und Fernsehen auf die Bühne, ein Erfolg, der die Strahlkraft des Hauses im Berliner Südwesten zu tragen vermag. Die Bühne wird nie untergehen, sagte Max Reinhardt, wofür das Theater in seiner rückschlagsreichen Geschichte schon mehrfach den Beweis antrat. Die Ausstellung erzählt in fünf Akten diese einzigartige Theatergeschichte und immer wieder auch die einer pulsierenden Theaterstadt, wie es keine zweite in Deutschland gibt.

    „Keine Kunstform ist so dem Schicksal rascher Vergänglichkeit ausgeliefert wie das Theater. Und keine Zeit ist schnellebiger und dem schnellen Vergessen zugeneigter als die unsere. Was Wunder; wenn wir den Wunsch haben, die flüchtigen Erscheinungen unserer Arbeit wenigstens im Abbild […] zu bewahren.“ (Boleslaw Barlog)

    1. Akt 1830 Als alles began

    Die Geschichte diese Aktes beschäftigt sich mit dem Werden von Steglitz, einem Dorf südwestlich der expandierenden Stadt Berlin, das sich innerhalb von fünfzig Jahren zu einer bürgerlichen Gemeinde mit über 30.000 Einwohnern Wandelt.

    Steglitz wird zusammen mit seinen Nachbarorten Lichterfelde und Lankwitz zu einem Ort des Militärs, der chemischen und feinmechanischen Industrie, der Filmindustrie und des bürgerlichen Vorstadtlebens.

    Die Steglitzer entwickeln in diesen fünfzig Jahren einen hohen Kulturanspruch, der sich eng mit dem Interesse an einem eigenen Theater verbindet.

    Begünstigend für diese Entwicklung ist die erste preußische Eisenbahnlinien, die in Steglitz eine provisorische Haltestation hatte. Das Bahnunternehmen installierte in Steglitz ein Sommertheater, für das man Karten nur mittels eines Bahntickets erwerben konnte.

    Das ist der Begin einer Theaterkultur, die in der Folge zu einer Hochkultur aufsteigen und zahlreiche Verbindungslinien zur Gesamtberliner Theaterkultur ziehen wird.

    2. Akt 1921-1934 Die Zeit Paul Henckels bis Hans Junkermann

    Dieser Akt beschäftigt sich mit dem Beginn des Hauses als Theater. Er zeigt die Persönlichkeiten, die die Idee zu einem Kulturensemble haben, dessen sich auch das nicht florierende Theater des Westens in Charlottenburg bedienen wird.

    Es wird die ereignisreiche Geschichte der Weimarer Republik gezeigt, in der zahlreiche Kunstströmungen die Kultur des Theaters revolutionieren. Die Schlosspark GmbH wird durch die Bühnenkonzepte von Erwin Piscator beeinflusst und will die Ideen von Max Reinhardt für den Berliner Südwesten gewinnen.

    Die führenden Regisseure und Künstler der 1920er Jahre färben auf die Theaterkultur an und prägen die grundlegende Veränderung der Bühne, insbesondere die der Berliner Theaterkultur und machen Berlin damit zu einer bislang einmaligen und unvergessenen Kulturmetropole.

    Die Bühne als Kulturerlebnis für alle Bürger und Schichten kennzeichnet die Theaterentwicklung der nachfolgenden Zeit und prägt so auch die Bühne des Schlosspark Theaters.

    Die sozialkritische Sicht Bertolt Brechts lebt später auch auf der Steglitzer Bühne. Das „Totaltheater“ von Erwin Piscator in der Zusammenarbeit mit Walter Gropius bleibt Mittel und Zweck der zukünftigen Regiearbeit und selbst die kleine Schlosspark Bühne nimmt Anteil an dieser Entwicklung. Auf der Bühne selbst werden sich die klassischen Theaterstrukturen Jürgen Fehlings unter der Leitung späterer Intendanten deutlich formieren.

    Zusammenhänge der Zeit und Hintergründe der Entwicklung finden in diesem Akt eine Darstellung. Die Idee des großen und der kleinen Hauses wird in der Tatsache eines zunächst provisorischen Kinos und eines Theaters umgewandelt und hält bis heute an.

    3. Akt 1945 – 1972 Die Zeit mit Boleslaw Barlog

    Dieser Akt widmet sich dem Wiederaufbau einer Theaterkultur und dem Suchen nach einem neuen Theatersinn.

    In Berlin erwacht inmitten der Trümmer eine einzigartige Initiative des Theaters, und als ob es keine anderen Fragen in der zerstörten Stadt zu lösen gäbe, schießen die Bühnen wie Pilze aus dem Boden. Allein von Mai bis Dezember 1945 finden in der Stadt 120 Theaterpremieren statt.

    Hildegard Knef gehört zu den jüngsten Schauspielern der Stadt, sie findet als Obdachlose zu Boleslaw Barlog, erfährt Hilfe und bekommt Angebote, die ihr Leben auf Bühne und Leinwand bestimmen werden.

    In der nun beginnenden Epoche beleben Schauspieler wie Bernhard Minetti, Martin Held, Klaus Kammer und viele mehr das Theater in einer Stadt, die zur Insel und zum Spielball des kalten Krieges geworden ist. Diese beiden Aspekte wirken entscheidend auf die Berliner Theaterkultur ein.

    Dieser Abschnitt der Ausstellung beschäftigt sich mit Zeitdokumenten, mit Interviews und vor allem mit dem Widerstreit zwischen Theaterkritik und Theaterrealität, zwischen intellektueller Theateridee und gelebter Bühnenpraxis und dem Theater, das der Bürger liebt.

    Historische Filmdokumente zeigen den höchst lebendigen Wortaustausch zwischen dem Theaterkritiker Friedrich Luft und dem Intendanten Boleslaw Barlog. Das Schlosspark Theater wird zur namhaften Spielstätte der Stadt.

    Barlog geht indes seinen eigenen Vorstellungen vom Theater nach, immer mit einem sicheren Gespür für das, was sein Publikum sucht. Die Komödie steht dabei im Zentrum des Interesses. Er findet aufsteigende Talente und reibt sich an Regisseuren wie Hans Lietzau, in dem er zugleich seinen
    Nachfolger entdeckt.

    4. Akt 1972 -2006 Die Zeit mit Hans Lietzau, Boy Gobert, Heribert Sasse
    und Andreas Gergen

    Im 4. Akt geht es um eine Zeit, in der sich die Berliner Theaterkultur zwar formiert hat, sich aber dennoch zu neuen und noch nicht klar definierten Zielen aufmacht.

    Die Theaterpraxis in Berlin befindet sich auf dem Weg der Suche nach sich selbst und gleichzeitig in einem anhaltendem Spannungsfeld ideologischer Ansichten und kulturpraktischer Bedürfnisse. Diese Sichtweisen spiegeln sich in Filmdokumentationen und Publikationen der Zeit. Hans Lietzau gehört unzweifelhaft zu den „Großen“ des Theaters, und die Schulen von Max Reinhardt, Leopold Jessner, Jürgen Fehling, Gustaf Gründgens und vieler anderer mehr wirken durch ihn auf der Bühne.

    Als Generalintendant der Staatlichen Schauspielbühnen Berlins verknüpft geschickt die Bühnen des Schiller Theaters, der Werkstattbühne und des Schlosspark Theaters.

    Der Theaterkritiker Friedrich Luft beschenkt ihn mit einem reichen Angebot an kritischen Meinungen und am Ende mit einer überaus wertschätzenden Würdigung seiner hohen Leistung.

    Die Steglitzer Bühne erlebt bis in die Mitte der 1980er Jahre einen stabilen Spielplan, den nicht nur der Berliner Theaterclub als wichtige Kulturinstanz der Stadt zu schätzen weiß. Doch was Theater wirklich leisten soll und was sich Besucher wünschen, bleibt Gegenstand eines Spagats, was der neue Generalintendant der staatlichen Schauspielbühnen Berlins, Boy Gobert, in einem Interview formuliert.

    Die Intendanz Boy Goberts und die nachfolgende von Heribert Sasse zeigen lebendige und spannende Zeitdokumente und
    Filmmitschnitte des rbb. als Sponsor die Ausstellung.

    Mit der Wiedervereinigung Deutschlands ändert sich die Berliner Kulturlandschaft und die Bedeutung der Bühnen sieht sich einem neuen Spagat ausgesetzt: der schwierigen Dichotomie von zentral und dezentral gelegenen Bühnen.

    Nach dem Ende der Intendanz Sasse verwandelt sich das Haus in ein Musicaltheater. Der Broadway kommt nach Steglitz, und Andreas Gergen prägt das künstlerische Profil des Hauses im Stil einer Theaterkultur, die der einstigen Inselstadt Berlin wieder ein Fenster zur Welt öffnet. Berlin kann wieder eine Metropole werden, das war auch die Botschaft der kleinen Bühne im Berliner
    Südwesten.

    5. Akt ab 2008 mit Dieter Hallervorden

    Im fünften Akt dieser Ausstellung etabliert sich das Haus erstmals auf eigenen Beinen. Ein neues Konzept des Intendanten sichert dem Haus eine Existenz, die die Gründer des Hauses suchten.

    „Ich glaube an die Unsterblichkeit des Theaters“, sagte Max Reinhardt, womit er bis heute Recht behalten sollte.

    Das Theater bleibt, aber es verändert sich innerlich. Dieser Prozess begann in den 1920er Jahren mit der Technisierung der Bühne und einer neuen Frei- heit der Kunst. Der Film übernimmt eine führende Kraft auf die Wirkungsfelder des Schauspielers und Dieter Hallervorden bringt mit einer beeindruckenden Kommunikation die Stars aus Film und Fernsehen auf die Bühne. Damit schafft er einen Erfolg, der die Strahlkraft des Hauses im Berliner Südwesten zu tragen vermag.

    Die Hochkultur des Sprechtheaters lebt so zwischen Stücken mit klassischem Anspruch bis hin zum Unterhaltungstheater. Das Publikum weiß es ihm zu danken und liebt ‚sein‘ Schlosspark Theater.

    Seinen Ausspruch über die Unsterblichkeit des Theaters setzte Max Rein- hardt mit den Worten fort, das Theater sei „der seligste Schlupfwinkel für die- jenigen, die ihre Kindheit heimlich in die Tasche gesteckt und sich damit auf und davon gemacht haben, um bis an ihr Lebensende weiter zu spielen.“ Es ist dies nicht nur der Traum eines großartigen Künstlers, sondern es wäre ein
    höchst wertvoller Traum für alle Menschen.

    Der Intendant Hallervorden erkennt die Tragkraft von Reinhardts Idee, und die Bedeutung der Bühne insbesondere für junge Menschen, denen er hilfreich und fördernd das Haus öffnet. Das YAS Theater nimmt die Hochkultur des Sprechtheaters ernst und transformiert Sprache in den Alltag junger Menschen.

    Sprache und Literatur sind weitere Angebote und damit eine Besonderheit der Theaterkultur im Südwesten Berlins.

    Der Berliner Theaterclub bringt die Kultur den Menschen direkt ins Haus und verbindet Publikum und Schauspieler.

    Genau dieses Anliegen war der tiefere Sinn der Gründer des Schlosspark Theaters – es war ihr höchstes Ziel, mit dem die wendungsreiche Geschichte dieses Hauses begann. Der Wirkungskreis des Theaterclubs lebt in der Ausstellung im Film, Wort und Bild.

    Der Steglitzer liebt sein Theater und der „Freundeskreis des Schlosspark Theaters“ entwirft eine Brücke zum Schauspieler und verbindet das Publikum mit dieser Bühne.

    Was hinter der Bühne geschieht…

    Bevor ein Theaterstück die Bühne belebt, vergehen Tage und Wochen konzentrierter Arbeit hinter der Bühne. Zahlreiche Akteure sind mit dem Bau eines Stückes beschäftigt.

    Die Idee eines Regisseurs gibt mehreren Berufsgruppen Arbeit auf. Der Bühnenbildner wird zum Architekt der Bühne und baut Requisiten, gruppiert Szenerien, in denen die Stücke spielen. Er figuriert die Kostüme der Schauspieler im originalen zeithistorischem Kulturverständnis.

    Werkstätten nähen Kostüme und entwerfen Stoffe mit originalgetreuen Mustern. Möbel werden gezimmert, die dem Bühnenbild in vielen Sicherheitsaspekten entsprechen müssen. Der Maskenbildner verwandelt den Schauspieler in eine völlig andere Person. Der Regisseur inszeniert Planspiele, wann sich wer wohin bewegt, was wohin wandert, und beherrscht mittels Bühnentechnik den Wandlungslauf der Zeitebenen.

    Das alles sieht der Besucher bei der Aufführung des Stückes in einem fertigen Kunstwerk, in der Ausstellung sieht er den Weg dahin.

  • Ein Rektor aus Lichterfelde

    Ein Rektor aus Lichterfelde

    Johannes Stroux und der Wiederaufbau des Berliner Wissenschaftsbetriebs nach 1945

    Nach der Katastrophe des Nationalsozialismus galt es für die Alliierten, unbelastete Persönlichkeiten in Deutschland zu finden, die beim politischen, wirtschaftlichen und technischen Wiederaufbau mitzuhelfen bereit und geeignet waren. Hinsichtlich des ebenso wichtigen geistigen Wiederaufbaus galt dem in der NS-Zeit stark kompromittierten Bildungsbereich besonderes Augenmerk.

    Ein Großteil der Professorenschaft an den Universitäten wurde für die Wiederaufnahme des Lehrbetriebs dringend benötigt. Die Berliner Universität Unter den Linden befand sich nach der Aufteilung der Stadt in Sektoren im sowjetisch besetzten Ostteil. Die Sowjets (und die mit ihnen zurückkehrenden Exilkommunisten) konnten nicht darauf verzichten, auch ‚bürgerliche‘, nichtkommunistische Wissenschaftler zur Mitarbeit zu gewinnen.

    Zu diesen gehörte der in Lichterfelde wohnende Altphilologe Johannes Stroux (1886-1954), der mit dem Rektorat der am 29. Januar 1946 wiedereröffneten Universität (später: Humboldt-Universität) und der Präsidentschaft der Deutschen (ehemals Preußischen) Akademie der Wissenschaften zwei wissenschaftliche Spitzenämter in seiner Hand vereinigte.

    Eröffnung der Universität Unter den Linden am 29. Januar 1946 im Admiralspalast (mit Arthur Werner, dem ersten Oberbürgermeister von Berlin nach 1945, 2.v.l., und Johannes Stroux im Amtsornat des Rektors), Foto: P. Cürlis, Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-R99113 / CC-BY-SA 3.0 (Wikimedia Commons)

    Die Ausstellung möchte den Lebensspuren dieses heute wenig bekannten Gelehrten nachgehen, der schon in der Weimarer Republik in München einen der bedeutendsten Lehrstühle seines Faches innehatte und als Wissenschaftsorganisator hervortrat. Mit seinem Wechsel nach Berlin 1936, seiner Zuwahl in die Preußische Akademie der Wissenschaften und seiner Mitgliedschaft im erlesenen Kreis der berühmten Mittwochsgesellschaft nahm er einen der ersten Ränge im damaligen wissenschaftlichen Berlin ein. Der Mittwochsgesellschaft, von deren Mitgliedern mehrere in Lichterfelde und Steglitz wohnten, gehörten bedeutende Vertreter des deutschen Widerstands gegen Hitler an.

    Die Ausstellung weitet den Blick auf das geistige Berlin vor dem Hintergrund der schwierigen Alltagsbedingungen in der zerstörten Stadt. Deren Südwesten spielte als Wohnort vieler Professoren, als Wissenschaftsstandort (Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft / Kaiser-Wilhelm-Institute) und nicht zuletzt als Ort der 1948 in Reaktion auf den an der Linden-Universität zunehmenden politischen Gesinnungsdruck gegründeten Freien Universität (FU) eine herausragende Rolle. Diese Entwicklung möchte die Ausstellung über den Wiederaufbau des Berliner Wissenschaftsbetriebs nach 1945 im Spannungsfeld der beginnenden politischen Teilung Deutschlands anhand der Biographie von Stroux, aber auch der anderer Persönlichkeiten aus Steglitz und Zehlendorf nachzeichnen.

    Ein Begleitprogramm mit Vorträgen und Führungen vertieft und/oder erweitert die Themen der Ausstellung.

    Die Ausstellung wurde gefördert aus Mitteln der dezentralen Kulturarbeit des Bezirks Steglitz-Zehlendorf, Kulturamt.

  • Vom Funk zum Rundfunk: Die Telefunken und das Radio

    Vom Funk zum Rundfunk: Die Telefunken und das Radio

    Bereits im Jahr 2016 zeigte das Steglitz-Museum eine kleine Ausstellung zum Radio und seinem Lichterfelder Erfindergeist Manfred von Ardenne (1907-1997). Damit wurde ein tragendes Element der Medienkommunikation angesprochen, das in unserem kulturellen Bewusstsein einen unverrückbaren Platz einnimmt.

    Von Ardenne schuf eine technische Neuheit, mit der das Tonmöbel Radio entstehen konnte. Der Rundfunk war die eigentliche Botschaft, die im ausgehenden 20. Jahrhundert unsere Medienkultur beeinflusste, prägte und veränderte. Der Rundfunk schuf ein völlig neues kulturelles Bewusstsein, das Menschen in den Bann zog, sie in den 1920er Jahren von den Leiden der Nachwirkungen des Ersten Weltkrieges und der Wirtschaftsinflation mittels Unterhaltung entlasten sollte, ihnen allen aber gleichzeitig, auch den Ärmsten, Bildung und Wissen vermitteln wollte.

    Detailansicht Telefunkenradio, Privatsammlung | Fotografie: W. Gieschler

    Im Dritten Reich erfasste Reichspropagandaminister Joseph Goebbels das Medium Radio als Machtinstrument. Dem Rundfunk wurden die demokratischen Flügel gestutzt, und nach politischer Säuberung und Gleichschaltung konnten sich die Nationalsozialisten an der Spitze über alles erheben und dem Volk ihren alleinigen Willen aufzwingen. Der Rundfunk wurde zur Macht über Menschen und zur Waffe im Krieg. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in der „Stunde Null“, sollte der Rundfunk erneut Menschen Kraft und Mut spenden. Als über dem geteilten Deutschland der kalte Krieg entbrannte, wurde die Botschaft Rundfunk zur Macht und zur Stütze im geteilten Deutschland. Der Steglitzer Hans Mahle glaubte als Intendant im sowjetischen Sektor an Demokratie, was ihn schließlich zu Fall brachte. Die Regie des RIAS glaubte im amerikanischen und britischen Sektor an Gerechtigkeit, was den Sender begehrter machte. Die Berlinblockade der Sowjets konnte den Menschen im westlichen Sektor nicht die Lebensluft nehmen. Der ostzonale Rundfunk wurde zur Macht über Mensch und Gerechtigkeit. Er ersann die „Blutjustiz“ und den Menschenraub (wie im Fall des Steglitzers Walter Linse), er zwang des Menschen Sinn hinter Stacheldraht und Mauern. Der Rundfunk westlich der innerdeutschen Grenze führte durch das Wirtschaftswunder, und aus der Luftbrücke wurde eine Sendebrücke zwischen zwei Welten. Aus Lichterfelde kam Hans Rosenthal, der die Unterhaltung im Rundfunk beflügelte. und Fritz Genschow, der als „Onkel Tobias vom RIAS“ grenzenlos Kinderherzen beglückte. Der Rundfunk schwebte zwischen Demokratie und Machtduktus über Grenzen, die schließlich Menschen zu brechen vermochten, er war ihre Stütze. Wiedervereinigung brauchte Worte der Verständigung, und auch der Rundfunk wurde zur Botschaft eines geeinten Deutschlands.

    Quelle: commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=42931283

    Der Schriftzug Telefunken stand als Markenzeichen auf dem Radio, und die Telefunkenuhr am Telefunkenturm in der Goerzallee war weithin in Lichterfelde zu sehen.
    Das Radio war eines der Markenprodukte des Medienkonzerns, der weltumspannend agierte. Die Telefunken wurde zu einem Wahrzeichen Lichterfelder Industrieproduktion. Doch das Werk, das Tausende von Arbeitern beschäftigte, wurde auch ein Faktor sozialer Ausprägungen. Das Telefunkenwerk dehnte sich im Berliner Südwesten mit Wohnquartieren aus und schuf Lebens- und Familienbilder.

    Doch in der eigentlichen Botschaft war und ist der Rundfunk ein bedeutender Kulturfaktor, der mit Persönlichkeiten die Lebensbilder der Menschen prägte. Fröhlichkeit und Unterhaltsamkeit brachte der Lichterfelder Hans Rosenthal im Nachkriegsberlin durch den Äther, und Onkel Tobias vom RIAS haben die Menschen auch heute noch in der Erinnerung. Der erste Rundfunk-Intendant im kriegszerstörten Berlin war ein Lichterfelder, der eine Schlüsselrolle in dem von Sektoren geteilten Berlin spielte.

    Aber wie kann uns die Botschaft Rundfunk als Hörer erreichen? Im Radio steckt Technik und Physik. An Versuchsstationen kann man den Empfang von Radiowellen ausprobieren, womit die Geschichte begann. Rundfunkempfang erzeugte in den 1920er Jahren leidenschaftsvolle Funker und Radiobastler. Mit dem Kopfhörer konnte man die ersten Konzerte und Rundfunkansagen empfangen. Und jede Sendung endete mit den Worten: Vergessen Sie nicht, Ihre Antenne zu erden! Die Kopfhörer, über die die ersten Radiosender empfangen werden konnten, waren ein Hit und das Familiengeschenk schlechthin. Den Anfang aber bildete der Morsefunk, und auch diese Versuchsstation sollte man in der Ausstellung nicht vergessen.
    Morsen kann eine spannende Tonzeichensprache sein, die Sie unbedingt versuchen sollten. Das komfortable Radio der 1930er Jahre brachte das Magische Auge hervor, und wie das funktioniert, muss man im Versuch selber erkunden.
    Unsere PC-Technik erlaubt uns, auch komplizierte Techniken sichtbar zu machen, so verhält es sich mit der Sprache, die sich im technischen Medium zeigen muss, um sie zu senden. Hier ist wieder der versuchsfreudige Besucher eingeladen, diesen technischen Vorgang selbst zu ergründen.

    Die Ausstellung wurde gefördert aus Mitteln der dezentralen Kulturarbeit des Bezirks Steglitz-Zehlendorf, Kulturamt.

  • Erinnerung an Siegfried Borris

    Erinnerung an Siegfried Borris

    Erinnerung an Siegfried Borris (1906-1987)
    Komponist, Musikwissenschaftler, Musikpädagoge und Musikpolitiker

    Oft genug sind bedeutende Wegbereiter für eine neue und bessere Zeit nach dem II. Weltkrieg inzwischen der Vergessenheit anheimgefallen.
    Siegfried Borris, Komponist, Musikpädagoge, Musikwissenschaftler und Musikpolitiker, der wesentlich den Neubeginn des Musiklebens in Deutschland mitgestaltet hat, gehört zweifellos zu ihnen.
    Als Hochbegabter in der Schule, im Studium und als Komponist – Hindemith hat ihn ohne besondere Vorbereitung als Schüler angenommen – war Borris bereits mit 22 Jahren Dozent, dann Professor an der Berliner Musikhochschule.
    Als Sohn eines jüdischen Vaters musste er die Hochschule 1933 verlassen.
    Mehrfache Denunziationen zwangen ihn in den Untergrund. Durch eine Reihe glücklicher Fügungen hatte er überlebt und konnte nach 1945 wieder an der Musikhochschule arbeiten. Allerdings – ein trauriger Treppenwitz der neueren Geschichte – nahm man ihm wegen seiner musikalischen Kontakte auch nach Ostberlin und Ostdeutschland den Professorentitel, den er erst 1970 wieder erhielt.

    Siegfried Borris (Privatbesitz Familie Borris)

    Borris‘ Mitwirkung und sein Anteil beim Wiederaufbau und der Neuorganisation des Musiklebens nach 1945 in Berlin und der Bundesrepublik ist nicht hoch genug einzuschätzen.
    In dem 1946 in Darmstadt gegründeten Institut für Neue Musik und Musikerziehung gehörte er zum Vorstand und war zehn Jahre lang 1. Vorsitzender. Bis 1972 war er Präsident des 1963 gegründeten Verbands Deutscher Musikerzieher und Konzertierender Künstler VDMK und führte die Künstlerverbände der deutschsprachigen Nachbarländer zu gemeinsamen Konferenzen zusammen.
    An den Initiativen zu den Wettbewerben »Jugend musiziert« und dem »Deutschen Musikwettbewerb« hatte er maßgeblichen Anteil.
    Dem Deutschen Musikrat gehörte Borris seit 1964 an, wurde 1969 dessen Vizepräsident und ab 1971 sein Präsident für 6 Jahre. Danach übernahm er trotz Krankheit die Ehrenpräsidentschaft und entfaltete – auch über den Internationalen Musikrat und damit über die Grenzen Deutschlands hinaus – erhebliche musikpolitische und bildungspolitische Aktivität und Wirkung.

    Bei der großen Fülle von Aufgaben hatte er sich dennoch immer wieder Freiräume für sein kompositorisches Schaffen, das er als seine eigentliche Bestimmung ansah, erhalten können.
    Auch für das Schreiben von etlichen Büchern zur Musik, einer großen Anzahl von Kongressreferaten, Aufsätzen zu Komponisten, zu Ästhetikfragen und Neuer Musik, Jazz und Popularmusik, zu Pädagogik, Musikleben, zur Oper und anderem fand er die Zeit. Für den Schulfunk hat er rund 500 Sendungen zu allen musikalischen Fragen verfasst.
    Sein kompositorisches Werk umfasst die meisten musikalischen Gattungen. Musikalischer Extremismus der Nachkriegszeit war ihm fremd; die Nachfolge des musikalischen Expressionismus sah er im »Vitalismus«. In der Auseinandersetzung mit den Vertretern der Schönberg-Schule blieb er in der Nähe der Tonalität.
    Berlin-Lichterfelde war dreiunddreißig Jahre lang seine Heimat.

    Die Ausstellung wurde gefördert aus Mitteln der dezentralen Kulturarbeit des Bezirks Steglitz-Zehlendorf, Kulturamt.

  • Ausstellung Der Optik-Konzern des Rudolf Fuess in Steglitz

    Ausstellung Der Optik-Konzern des Rudolf Fuess in Steglitz

    Rudolf Fuess wurde 1838 in Moorigen bei Hannover geboren. Als junger Feinmechniker mit hohem technischem Interesse, führten seine Wege 1859 nach Berlin in das damalige Zentrum des wissenschaftlichen und technischen Apparatebaus Deutschland. Der Unternehmer für opti- sche und meteorologische Messinstrumente erlangte in seiner bemerkenswerten Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern einen viel- beachteten Namen. Mit Paul Grot konzipierte er einen „krystallographisch-optischen Universalapparat“. Ein revolutionäres modulares Mess- system für fast alle mineralogischen Fragestellungen. Eine nachfolgende beachtliche Leistung gelang ihm mit dem Rosenbusch- Mikroskop, für das er zum marktführenden Konstrukteur mineralogischer Instrumente wurde. Viele seiner Entwicklungen fanden eine Einordnung als Normalinstrumente und wurden zur Eichung verwendet. Der Steglitzer Unterneh- mer gehörte zu den bedeutendsten Feinmechanikern seiner Zeit und seine Messinstrumente finden noch heute große Beachtung.
    Die Ausstellung beleuchtet mit einem Ausschnitt den Bereich der Kristallographie mit sehenswerten Exponaten und Leihgaben.

    Rudolf Fuess (1838-1917) ein bedeutender Feinmechaniker und Konstrukteur umfangreicher mineralogischer Instrumente
    „Krystallographischoptischer Universalapparat“ Hersteller: Rudolf Fuess, Berlin Steglitz, Leihgabe: Dr. Ferdinand Damaschun (Museum für Naturkunde Berlin /Leibniz-Insti tut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung). Museum für Naturkunde
    Windmesser, Schalenkreuz-Anemometer, um 1890, Hersteller: Rudolf Fuess, Berlin Steglitz, Leihgabe: Claudia Schuster Technikmuseum,
    Rosenbusch Mikroskop Hersteller: Rudolf Fuess, Berlin Steglitz, Objektquelle: Leihgabe, Dr. Olaf Medenbach (Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik / Mineralogie an der Ruhr-Universität Bochum).
  • Ausstellung – Manfred von Ardenne

    Ausstellung – Manfred von Ardenne

    Manfred von Ardenne gehört zu den bedeutsamsten Persönlichkeiten in der Lichterfelder Wissenschafts- und Technikgeschichte. Geboren wurde er am 20.1.1907 in Hamburg als Sohn einer Beamtenfamilie, die 1913 nach Berlin verzog. Der junge Manfred von Ardenne begeisterte sich für die Naturwissenschaften und entwickelte bereits als 19-Jähriger (1926) ein Radio, das erstmals ein Dreifachröhrensystem enthielt. Damit war ihm, der wegen angeblich schwacher Leistungen in den Fremdsprachen, das Gymnasium hatte verlassen müssen, eine wichtige technische Erfindung gelungen. Die Firma Loewe baute das erwähnte Radio unter dem Namen „Loewe-Ortsempfänger“: nun verdiente von Ardenne viel Geld und erwarb 1929 ein Haus im Lichterfelder Jungfernstieg 19. Ende der 20er- und in den frühen 30er-Jahren widmete er sich der Entwicklung von Fernseh- Bildröhren. Mittels der „Braunschen Röhre“, einer Elektronenstrahlröhre, gelang es von Ardenne 1930, Lichtpunkte in elektromagnetische Signale zu verwandeln. Auf der Berliner Funkausstellung des Jahres 1931 erfolgte die Premiere des rein elektronischen Fernsehens: die Firma Loewe zeigte eine von Ardenne geschaffene Versuchs- anlage mit einer Bildzerlegung von 6000 Punk- ten. Die Ausstellung zeigt den durch Ardenne ge- prägten Bereich der Radioentwicklung bis in die 1950ziger Jahre mit Sammlerleihgaben.

  • Ausstellung zum THW

    Ausstellung zum THW

    „Helfen im Zeichen des Zahnrades“

    Das Technische Hilfswerk (THW) in Berlin 1950-2015 – Ausstellung einer der größten Organisationen des Landes im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz

    Die Ausstellung beleuchtet die Geschichte der operativen Einsatzorganisation des Bundes im Bevölkerungsschutz in der heutigen Bundeshauptstadt Berlin. Fünfundsechzig Jahre Geschichte der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk sind auch ein Stück Entwicklungsgeschichte der der Bundesrepublik selbst. Elemente bundesrepublikanischer Geschichte, wie etwa Wirtschaftswunder, kalter Krieg, Mauerbau, Entspannungspolitik sowie das Ende des Ost – West – Gegensatzes und die Wiedervereinigung beeinflussten den Werdegang des THW. Durch seine völkerverbindende Rolle im Rahmen von Auslandseinsätzen hat dieses dabei einen eigenen Beitrag zur Entwicklung des Ansehens der Bundesrepublik in der Welt geleistet. Mittels der in ihm verinnerlichten Ausprägung von Gemeinsinn und ehrenamtlich und bürgerschaftlichen Engagement trug und trägt es zugleich wesentlich zur Festigung und Weiterentwicklung der Demokratie in unserem Land bei.